Donnerstag, 13. September 2018

Begeisterung

                Sänger bin ich 
                im Chor der Engel -
                Lichtjubel,
                in der Gebärde meiner Arme!

                So rüttle ich am Gebälk dieser Welt,
                auf dass alle Schutzschilder -
                zerbrechen
                und ein grosses Werde
                die Herzen der Menschen
                in gemeinsamem Tun verbindet.

                Hier und jetzt will aus Deinem Tun,
                durch die Kraft der Güte -
                auferstehen das neue Jerusalem.

                © Bernhard Albrecht, 1995/2011
                (In Erinnerung an einen grossen Menschen,
                der das Wort führt durch die Schleier
                einer geistigen Behinderung)
   
                Aus aktuellem Anlass heute sieben Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung erneut             
                eingestellt.

Postskript:
Der Geist weht, wo er weht, er stürmt mitunter oft geradezu durch ein Wort, das auf den ersten Blick die innere Sicht auf seinen tieferen Gehalt nicht frei zu geben scheint!
Der Gedanke ist des Gedanken grösster Feind, dort wo ich allzu schnell in ein Vermeinen abgleite, ich hätte mit einem Gedanken bereits dessen geistige Wirklichkeit erfasst. Das Vorurteil (eine wie auch immer geartete Befangenheit durch Erfahrungen der eigenen Vergangenheit) ist jene geschlossene Tür, an der ich mir den Kopf anschlagen muss, solange bis ich lerne mir ein Gespür für „die Bewegung“ hinter einem Wort anzueignen, bis ich vordringe zu einer rundum Offenheit gegenüber dem Wort-Sagen anderer Menschen, in der das Wort aus sich selber heraus in seiner tieferen Bedeutung enthüllen kann.
Lauschen. Ich kann viel zur Umschreibung eines scheinbar nicht mehr so ganz gebräuchlichen Wortes sagen. Wenn nicht innere Beweglichkeit, fragendes Lauschen den jeweils aktuellen Worten "aktiv interessiert" zur Verfügung gestellt wird, dann wird auch ein ganzer Roman zur Verdeutlichung desselben nicht wesentlich weiter helfen. Neben dem fragenden Lauschen ist nicht zuletzt die Authentizität dessen ausschlaggebend durch den ein Wort vermittelt wurde. Und die Authentizität des Menschen, der durch dieses Gedicht spricht, gehört zu einer von den ganz grossen Erfahrungen, die ich in meinem Leben machen durfte.
Ich habe keine Sorge, das junge Menschen die Aussage dieses Gedichtes nicht verstehen können, weil sie am Ende über ein Wort stolpern, das ihnen vielleicht nicht so ganz geläufig ist. Im Gegenteil, wer hier stolpert, der bekommt die Chance vertiefter zu erwachen für das, was in diesem Wort „entscheidend“ zum Ausdruck kommt.
Im Übrigen ist dieses Wort vom „neuen Jerusalem“ nichts anderes als auf einer gewissen Ebene ein Synonym für „the wind of change“ in gesellschaftlich kulturellen Verhältnissen. Ist dieses Wort ein Trompetenschall zum Aufbruch aus heutigen festgefahrenen Verhältnissen in eine neue, Geist transparentere Welt. Und dieser Trompetenschall ging zu keiner Zeit von den etablierten Religionen oder politischen Parteien aus. Er war immer ein Aufbruch Signal von der Peripherie her, ein Signal aus dem Kreis von Menschen, die lauschend die Quelle des Geistes in einem neuen Brunnen zu fassen suchten.
Dort, wo das Wort vom „neuen Jerusalem“ authentisch, also von seinem tieferen Geist durchdrungen laut wurde, dort hat es die Menschen über die eigene Trägheit hinaus stets zu neuen Horizonten geführt.
Die etablierten Religionen und Parteien sind an den Versuchen sich diesen Geist der Veränderung für irgendwelche Machtinteressen dienstbar zu machen letztendlich immer gescheitert. Denn dieser Geist kann nicht instrumentalisiert werden, er kann nur dann wirken, wenn der Mensch individuell für sich „Veränderung“ zulässt, lauschend in sich hinein die Stimme seines Ich vernimmt.
Wie sehr „the wind of change“ verwehen kann, wenn er nicht durch Authentizität initiiert wird, wenn Fake-News Gehabe das politische Geschehen bestimmen, kann aus den jüngeren Geschehnissen in Amerika von dem der will abgelesen werden.
Auf welch Messers Schneide "the wind of change" entlang läuft, das zeigen auch die gegnwärtigen Geschnisse in Chemnitz. Kleinkariertes Wortegerangel um die Meinungshoheit unter den Parteien jenseits eines ernsthaften Gespürs für ein inneres Aufstehen in eine "individuelle Kehrtwende" hinein zeichnen das gegenwärtige Bild sozialen mit- und gegeneinander.
Der Geist aber weht dort, wo ich ihn an meinem Vorurteil vorbei Einlass gewähre.
Dem „lebendigen Geist“ im eigenen Tun auf die Spur zu kommen, vor dieser Entscheidung stehen wir unmittelbar!

Bernhard Albrecht

Lange haben wir das Lauschen verlernt

           „An der Erde das lauschende Ohr,
Und ihr werdet hören, durch den Schlaf hindurch
                         Werdet ihr hören
                              Wie im Tod
                        Das Leben beginnt.“

                            Nelly Sachs (1)


                              An der Erde,
              dem anderen Menschen zugewandt
                        stets das lauschende
                             fragende Ohr,
                 das ist es, was Leben zeugt.

                        © baH, 13.09.2018

          (1)   Aus Gedichte von Nelly Sachs,
    Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1977,
              16. Auflage 2017, Seite 17/18