Sonntag, 10. Mai 2015

U-Bahn Pöbelei

Professoral,
das Augenglas auf der Nase
sitzt er in der 1. Klasse,
die Tageszeitung
mit seinen feingliedrigen Händen
bedächtig
Seite für Seite wendend.

Aus seinen rot geränderten Augen
tropft
unübersehbar ein großes Wissen.

Da stürmt ein jugendlicher Rocker
durch den Gang,
reisst die Zeitung mit sich fort,
nimmt sie durch die Zugtür
hinaus auf den Bahnsteig;
der Professor,
mit hochrotem Kopf hinterher.

Der junge Mann wendet sich um,
sieht zwei Bilder aus der geöffneten Aktentasche
zu Boden gleiten,
bückt sich und reicht sie dem Zornroten.

Der sehend,
was arglose Hände ihm reichen,
erbleicht -
er, mit einer Stripperin auf dem Schoss
und er seine Frau innig umarmend, zwei Urlaubsbilder.

Nach einem endlos erscheinenden Augenblick
entschuldigt sich der Professor, Tränen in den Augen;
der Rocker erwidert flapsig,
nichts für ungut alter Mann,
ich tat nur, was ich für richtig hielt.

Aus der sensationslüsternen Menge tönt es,
was war denn das?

© baH, 10.05.2015



 

Sturm der Erinnerung

Irgendwann,
immer mitten am Tag
in seinem da und dort,
den Staublappen in der Hand,
die Tastatur unter den Fingern,
treffe ich diese Erinnerungen,
suchen sie mich heim
bitter süss.

Wie der Südwind,
der gegen meine Fensterläden schlägt,
so brechen sie ein
in meine Tage,
wirbeln auf,
kehren lange Vergessenes nach oben,
gnadenlos.

Irgendwann stehe ich auf,
öffne das Fenster,
der Südwind fächert mein Haar,
legt es  n e u  vernetzt zusammen 
und ich lächele
befreit mir zu,
atme Ein-Sicht im Jetzt.

     © baH, 10.05.2015