Samstag, 20. Juni 2015

Eine notwendige Anmerkung zu dem Gedicht: Mitten unter uns

In diesem Gedicht geht es nur vordergründig um das Flüchtlingsgeschehen im Mittelmeer, das für sich genommen schon unfassbar ist.
Es ist zwar richtig, dass wir alle mehr oder weniger in unserem Leben auch Flüchtlinge vor uns selbst und vor anderen sind. Dies trifft jedoch noch nicht wirklich in das Zentrum dessen, was gegenwärtig auf und um das „Mittel - Meer“ herum geschieht.
Die Festung Europa bäumt sich auf gegen die Erneuerung seines sozialen wie wissenschaftlichen Verständnisses  von „dem Leben zugewandten“ Ordnungen schlechthin. Die verschleierte Pest geht um und hat längst „alle“ Bewohner dieses Kontinents mit ihrer Abstraktionsnadel infiziert - unausweichlich alle.
Selbst Menschenkreise die in Randbezirken seiner Gesellschaften sich für auserwählt halten mögen und an einer Umkehr der Verhältnisse auf die eine oder andere Art schon arbeiten (ob in Rocker- oder Newage- Zusammenhängen, in Gebets- und Umweltkreisen oder anderweitig weltanschaulichen Verbindungen) sind davon betroffen, solange sie sich im Streit um den rechten Weg in ideologischen Scharmützeln oder persönlichen Animositäten gegenseitig offen oder versteckt an die Gurgel gehen.
Damit ist keineswegs indirekt auf eines der vielen Weltuntergang Szenarien, die heute allenthalben kursieren, es ist vielmehr auf ein zutiefst menschliches Grundgeschehen verwiesen, das durch zahllose Debatten und Konferenzen um eine sich ausbreitende, weltweite Terrorgefahr und die damit, wie gesagt wird, notwendig in Verbindung zu bringenden Sicherheitsfragen nur verschleiert wird.
Es ist das Grundgeschehen der Beschämung, das dem im Geiste des Sokrates „an die Wurzel hin Fragen“ in seinem tiefsten Sinne zugrunde liegt, eines Fragen, das sein Pendant, das Erleben mit einbezieht und sich damit vor der Gefahr eines Vereinseitigen  in der Reduktion auf Abstraktionen im Denken  freihält und bewahrt.
Wenn ich in dem Gedicht „Mitten unter uns“ leise auf die Schwestern der Rose hinwies, so ist dabei jenseits des Streites um irgendwelche Quoten auf ein tief liegendes Wirken zumeist kaum ernsthaft erkannter starker und auf eine jeweils einzigartige Weise weiser Frauen gedeutet, die über ein geistiges Band miteinander in Verbindung stehen und leise Einfluss nehmen auf gesellschaftliche Prozesse. Die Fähigkeit zur Erlebnistiefe dieser Frauen bei einer gleichzeitig sehr besonderen Klarheit im Denken könnte wegweisend wirken, wenn denn mehr Männer den Mut entwickelten über ihr Traumtanzen in Abstraktionen hinaus zu wachsen. Die Krise Europas ist auch eine Folge weitreichend unterentwickelten,  tiefer gegründeten „gleichrangig wertschätzenden“ Zusammenwirkens von Mann und Frau.
Sie ist eine Krise von Männern, die auf kaum zu überbietende Weise das Fürchten vor dem Grund, das Erfahren des Nichts zu umgehen trachten, die lieber des nachts heimlich über Zäune spähen, in der Hoffnung einen anderen Mann zu entdecken, der die Führung im spirituell unwegsamen Gelände übernimmt. Ein von Anfang an zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.
Auch da und dort in Erscheinung tretende, mehr oder weniger klare Mutationen zum Guru gründen bei genauerem Hinsehen nicht selten in einem subtil emotionellen Bedürfnis, einer verborgenen Angst derselben an den Abgründen zum Nichts hin eigene Bedeutsamkeit wie aufzublasen, um sich selbst zu spüren, anstatt im Durchgang durch Erschütterungen der Beschämung auf den eigenen Kern hin zu reifen.
Meisterschaft war und ist von jeher ein Unterfangen, das eigenständig im Erwachen am Du und daran sich erschliessenden seelischen Beobachtung voran zu bringen ist. Eine  in krisenhaften Umbrüchen in bestimmten sozialen Netzwerken gerne in Umlauf gebrachte Hoffnung auf einen zu erwartenden Tröster verzerrt ein reales Geschehen dahingehend, dass der „Tröster“ keinesfalls auf ein äusseres Ereignen in einer Person deutet, sondern allein auf eine mögliche innere, rein geistige Erfahrung im Zuge einer inneren Reifung hinweist.
Ohne eine „Ein - Sicht“ auf einen grundlegend zu erneuernden Willen wird Europa auf längere Sicht gesehen seine Probleme nicht Frieden schaffend lösen können.

© baH, 20.06.2015

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über jeden Kommentar, der sachlich und wertschätzend geschrieben unter Deinem tatsächlichen Namen hier eingestellt wird und werde diese Kommentare baldmöglichst freischalten. baH.